Wallhecken und Landwirtschaft

Wallhecken prägen seit Jahrhunderten das Landschaftsbild in weiten Teilen Ostfrieslands. Ausgehend von einzelnen Ortschaften und Siedlungen wurden die Wallanlagen Zug um Zug in den offenen, höher gelegenen Geestbereichen angelegt. Sie dienten den Landwirten u.a. als

 

Einfriedung für das Weideland

Windschutz für die Böden und Kulturen

Rohstofflieferant zur Gewinnung von Baustoffen und Brennmaterialien.

In mühsamer Handarbeit sind im Laufe von Jahrzehnten Ostfrieslands Wallhecken in ihrer unterschiedlichen Ausprägung entstanden.

 

"Zur Errichtung des ostfriesischen Wallheckennetzes war die Bewegung von ca. 30 Mio m3 Erde nötig! (...) So hat die Errichtung der Wallhecken in Ostfriesland, deren Großteil in wenigen Jahren aufgeworfen wurde, eine ähnlich hohe Arbeitsleistung erfordert, wie der viel gerühmte Bau der ersten Küstendeiche." (SIEBELS, Zur Kulturgeographie der Wallhecke, 1954)

 

Als notwendiges Strukturelement in der ursprünglich freien Landschaft wurden die Wallhecken über viele Jahrzehnte gepflegt. Die Pflege bestand im Wesentlichen darin, dass die damals strauchbetonten Wallhecken im turnusgemäßen Wechsel alle 1 bis 2 Jahre zurückgeschnitten wurden. Nach 10 – 20 Jahren wurden die Bäume und Sträucher zwecks Gewinnung von Baustoff und Brennmaterial „auf den Stock gesetzt“ (zurückgeschnitten). Die Motivation zur Anlage und Pflege der Wallhecken der damaligen Zeit bestand in erster Linie in dem produktionstechnischen Vorteil.

 

Ökologischer Nutzen

Aus naturschutzfachlicher Sicht übernehmen die Wallhecken seit jeher wertvolle ökologische Aufgaben. Sie dienen tausenden seltenen Tier- und Pflanzenarten als wichtige ökologische Nische. In der waldarmen ostfriesischen Landschaft trägt das naturnahe Element Wallhecke ferner zur Stabilisierung des Natur- und Landschaftshaushaltes bei. Seine raumgliedernde Wirkung verleiht der Geest ein parkähnliches Aussehen. Diese kulturhistorischen und ökologischen Aspekte haben dazu beigetragen, dass die Wallhecken seit Mitte der 1930er Jahre einem besonderen gesetzlichen Schutz unterliegen - heute: § 22 Abs. 3 des Niedersächsischen Ausführungsgesetztes zum Bundesnaturschutzgesetz (NAGBNatSchG). 

 

Kulturlandschaft im Wandel der Zeit

Die Entwicklung der Landwirtschaft macht allerdings auch in den Wallheckengebieten nicht halt. Die agrarmarktpolitischen Beschlüsse drängen die Landwirte nach Kosteneffizienz. Mit dem Streben nach immer größeren Produktionseinheiten stellen die vorhandenen Wallheckenanlagen einen zunehmenden Störfaktor dar. Neben den Flächeneinheiten und Tierbeständen trifft dies auch für die landwirtschaftlichen Maschinen und Gerätschaften zu. Der technische Fortschritt kollidiert mit den kleinstrukturierten Flächeneinheiten in Wallheckengebieten. Lohnunternehmer lehnen zunehmend die Bewirtschaftung von landwirtschaftlich genutzten Flächen unterhalb einer bestimmten Größe ab.

 

Für zahlreiche Flächen lässt sich kein geeigneter Pächter finden. Das Pachtniveau sinkt. Nichtlandwirtschaftliche Flächeneigentümer sind in der Regel mit der Pflege und Erhaltung ihrer Wallhecken überfordert. Das führt dazu, dass Wallhecken immer öfter als Last und weniger als schönes  und nützliches Landschaftselement empfunden werden.

 

Die gesetzliche Pflicht zum Erhalt der Wallhecken verstärkt dieses Empfinden und bewirkt eher das Gegenteil. Es wird nach Wegen gesucht, die gesetzlichen Bestimmungen zu umgehen. Der landwirtschaftliche Strukturwandel, der auch in Ostfriesland durch zahlreiche Betriebs- und Flächenaufgaben gekennzeichnet ist, wird durch diese Entwicklung beschleunigt.

 

Kulturlandschaft in Gefahr

Mit dem Rückzug der Landwirtschaft aus der Fläche droht die Verwahrlosung der einzigartigen Wallheckenlandschaft in Ostfriesland. Die vielfältigen Formen der vorhandenen Wallheckenstrukturen nehmen ab. Auf einzelnen Flächen ist aus naturschutzfachlicher Sicht eine natürliche Sukzession durchaus gewünscht. Eine großflächige Fehlentwicklung ganzer Landstriche findet aber auch beim Naturschutz keinen Zuspruch.

 

Neben dem Naturschutz hat auch die Landwirtschaft großes Interesse an dem Erhalt dieser einzigartigen ostfriesischen Wallheckenlandschaft. Schließlich sind die Bewohner stolz auf das parkähnliche Landschaftsbild und die vertraute Umgebung. Umso wichtiger ist die Entwicklung gemeinsamer Strategien. Diese müssen ein auf die betrieblichen Erfordernisse abgestimmtes, landwirtschaftliches Wirtschaften ermöglichen, ohne die vorhandene Wallheckenlandschaft in ihrem derzeitigen Erscheinungsbild zu gefährden.